online Veranstaltung, in englischer Sprache
Die Dokumentation der Veranstaltung gibt es hier
GÄSTE: Ayọ̀ Akínwándé, Rebecca Abena Kennedy-Asante (Black Earth Kollektiv), Fossil Free Culture NL, MODERATION: Ayasha Guerin
2019 betrug der durchschnittliche Primärenergieverbrauch in Deutschland 43 702 kWh pro Kopf. Auf dem afrikanischen Kontinent hingegen waren es laut Our World in Data nur 4220 kWh pro Kopf. Südafrika ist das einzige afrikanische Land, das mit einem Durchschnittsverbrauch von 25 620 kWh pro Kopf dem europäischen Durchschnitt von 31 160 kWh nahe kam. Diese Zahlen korrelieren in etwa mit den jährlichen CO2-Emissionen. Das bedeutet, dass eine Person in Deutschland im Jahr 2019 ungefähr zehnmal so viele klimaschädliche Treibhausgase verursacht hat wie eine Person in Afrika. Die Folgen des Klimawandels aber werden sich am stärksten in äquatorialen, tropischen und subtropischen Regionen bemerkbar machen, wo die Temperaturen in den kommenden 30 Jahren nie vorher dagewesene Höchststände erreichen werden. Ausgerechnet die Regionen, die historisch am wenigsten zum Erderhitzung beigetragen haben, werden am meisten unter ihren Auswirkungen leiden.
Die Präsenz europäischer Unternehmen in Afrika geht bis auf die Anfänge der europäischen Kolonisierung zurück und dauert ungeachtet der Dekolonisierungsprozesse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute an. Dabei geht es auch und vor allen Dingen darum, Rohmaterialien für die westlichen Märkte und ihr energiehungrigen Lifestyles zu gewinnen. Ein Beispiel hierfür ist Shell, das 1956 nach einem halben Jahrhundert der Ölexploration im Nigerdelta fündig wurde. Das Unternehmen entstand 1907 aus einem Zusammenschluss von einem niederländischen und britischen Ölkonzern. Mitte des 20. Jahrhunderts war Royal Dutch Shell bereits eines der größten Mineralöl- und Erdgas-Unternehmen der Welt und darüber hinaus alleiniger Eigentümer der Ölförderrechte im Nigerdelta. Shell ist verantwortlich für Jahrzehnte der Ölverschmutzung, Umweltzerstörung, und Menschenrechtsverletzung im Zusammenhang mit der Ölförderung in der Region.
Ausgehend von Ayọ̀ Akínwándés Videoperformance Ogoni Cleanup, die in der Ausstellung Fossil Experience zu sehen ist, wird in der Diskussionsrunde Shells Verantwortlichkeit für die Folgen der Ölförderung im Nigerdelta diskutiert. Wie gehen Künstler:innen und Aktivist:innen mit den lokalen Auswirkungen der Erdölförderung sowie dem globalen Transfer von Kapital und Rohstoffen um? Was geschieht, wenn dieselben Unternehmen als Sponsoren im Bereich Kunst und Kultur auftreten? Welche Formen der Solidarität zwischen Kulturschaffenden im Globalen Norden und im Globalen Süden sind möglich? In der Diskussionsrunde geht es zugleich auch allgemeiner um dekoloniale Perspektiven auf Klima- und Umweltgerechtigkeit. Wie können die schwerwiegenden Traumata jahrhundertelanger, kolonialer und unternehmerischer wieder gut gemacht werden? Wie sollen Maßnahmen zur Anpassung an die Erderhitzung und die Reparatur andauernder Umweltverschmutzung finanziert werden? Welche Formen der Mobilisierung sind notwendig, um effektive Reparationszahlungen – inklusive ökologischer Entschädigungen – für postkoloniale Kontexte zu erwirken?