online Veranstaltung, in englischer Sprache
Die Dokumentation der Veranstaltung gibt es hier
GÄSTE: Christopher Basaldú, Rachel O’Reilly, Esteban Servat, MODERATION: Sumugan Sivanesan (Black Earth Kollektiv)
In den letzten zehn Jahren wurde Erdgas als Brückentechnologie auf dem Weg in eine fossilfreie Energiezukunft besprochen. Da Erdgas in der Verbrennung nur etwa halb so viel CO2-Emissionen verursacht wie Kohle, wird es oft als nachhaltigere Alternative dargestellt. Doch diese Perspektive lässt wichtige Aspekte im Materialzyklus bzw. in der Verarbeitungskette von Erdgas außer Acht. Erdgas ist ein fossiles Gas. Bei seiner Gewinnung entweicht Methan in die Atmosphäre, ein Treibhausgas, das weitaus klimaschädlicher ist als CO2. Methanemissionen entstehen beim kalkulierten Entlüften oder Abfackeln und durch undichte Stellen in allen Phasen der Produktion, Lagerung, im Transport und bei der Nutzung. Flüssigerdgas (LNG) verbraucht besonders viel Energie, da das fossile Gas auf −160°C abgekühlt werden muss, um seine flüssige und komprimierte Form zu erreichen. So kann es ohne Pipelines über weite Entfernungen transportiert werden; die dafür notwendigen Frachter werden wiederum mit Gas oder Schweröl betrieben.
Trotz seiner de facto negativen Klimabilanz erklärte die Europäische Kommission Erdgas, wie auch Atomenergie, Anfang 2022 für nachhaltig. Diese Taxonomie fördert Investitionen in den Ausbau klimaschädlicher, fossiler Energieinfrastruktur. Um unabhängiger von russischen Erdgaslieferungen zu werden, setzt Deutschland dabei vermehrt auf LNG und treibt den Bau von Importterminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade voran. Welche Orte und Lebensrealitäten befinden sich auf der anderen Seite dieser globalen Import-Export-Infrastruktur?
In dieser Diskussionsrunde werden gängige Argumente um das Thema Erdgas, auch im Hinblick auf eine Transformation hin zu fossilfreien Gasen, kritisch in den Blick genommen. Zugleich geht es darum, wie Erdgas und insbesondere unkonventionelles Erdgas, das einen zunehmenden Anteil des weltweiten Verbrauches ausmacht, gewonnen wird. Steigende Weltmarktpreise tragen dazu bei, dass energie- und kostenintensive Technologien wie das Hydraulic Fracturing (Fracking) ökonomisch rentabel werden. Fracking ist eine äußerst gefährliche und umweltschädliche Technologie für den Abbau von unkonventionellem Gas, die in weiten Teilen Europas zurecht verboten ist. Zugleich profitiert die europäische Wirtschaft aber von der Gewaltbereitschaft anderer Nationalstaaten, die in Zusammenarbeit mit Energiekonzernen ungeachtet der Folgen für lokale Ökosysteme unkonventionelles Gas an die Oberfläche bringen.
Wo Nationalstaaten wie Australien und die USA auf Energiesicherheit und potenzielle Exportmärkte spekulieren, geht die Förderung von unkonventionellem Gas mit anhaltender siedlungskolonialer Gewalt einher. In der Diskussionsrunde werden Landenteignungen und die Gefährdung von Wasser thematisiert in Situationen, in denen die Macht von Konzernen durch souveräne indigene Rechtssysteme und Forderungen nach Klima- und Umweltgerechtigkeit in Frage gestellt wird.