Diskurs

Diskussionsrunde #2 “Does this seem like a desert to you?“

05.05.2022
19:00 - 21:00 Uhr

Loft in der Schankhalle Pfefferberg
Schönhauser Allee 176, 10119 Berlin

GÄSTE: Caroline Breidenbach (wasserstories), Anna Lena Kronsbein (Leibniz-Institute of Freshwater Ecology and Inland Fisheries), Wassertafel Berlin-Brandenburg (Heidemarie Schroeder), MODERATION and CO-CURATION: The Driving Factor (Elisa Bertuzzo, Daniele Tognozzi, Neli Wagner)

Die Umstellung auf batteriebetriebene Verkehrsmittel gilt als entscheidender Schritt in der Energiewende. Staaten und Regionen konkurrieren um Investitionen in Produkte der Elektromobilität und in den Infrastrukturausbau. Berlin-Brandenburg ist keine Ausnahme. Ende 2019 kündigte Elon Musk, der CEO von Tesla, den Bau einer vierten „Gigafactory“ in Grünheide an, nur wenige Kilometer vor dem Stadtrand Berlins in einem Wasserschutzgebiet. Mit insgesamt 20 Zulassungen zum vorzeitigen Baubeginn wurde die Fabrik fertig gestellt, bevor die Antragsunterlagen und die dagegen erhobenen Einwendungen gründlich geprüft werden konnten. Anwohner:innen, Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und die Berliner Wasserbetriebe sind besorgt über die Auswirkungen auf den lokalen Wasserkreislauf und die Qualität des Trinkwassers. Am 22. März 2022 – ausgerechnet am Weltwassertag – liefen die ersten batteriebetriebenen SUVs vom Band.

„Does this seem like a desert to you?“ („Sieht so etwa eine Wüste aus?“), lautete Elon Musks abschätzige Antwort auf eine Frage nach Wasserknappheit in der Region. Berlin-Brandenburg ist in der Tat keine Wüste. Doch trotz der bemerkenswerten Fülle an Oberflächenwasser ist es eine der niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands. Elon Musks Äußerung bagatellisiert ein viel komplexeres Problem. Der Wasserstand der Seen sinkt und das Grundwasser, das die Trinkwasserversorgung sichert, hat einen historischen Tiefstand erreicht. Eine kürzlich erschienene Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei stellt fest, dass die Wasserqualität bereits zum jetzigen Zeitpunkt beeinträchtigt ist. Durch die zunehmende Urbanisierung und das Bevölkerungswachstum steigt auch der lokale Wasserverbrauch, was in Verbindung mit der Verringerung der bereit verunreinigten Wasserressourcen spürbare Konsequenzen hat.

Tesla ist ein gewinnorientierter Akteur, der laut eigener Aussage „driven by sustainability“, d.h. von Nachhaltigkeit angetrieben wird. Dabei gefährdet die drittgrößte Autofabrik Europas die lokale Wasserqualität und die Wasserversorgung einer gesamten Metropole. Wie werden sich die Folgen dieser Eingriffe bemerkbar machen, wenn die Region aufgrund des Klimawandels zugleich einem erhöhten Hitzestress ausgesetzt ist? In der Podiumsdiskussion besprechen Vertreter:innen der Wissenschaft und Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe Wassertafel Berlin-Brandenburg, wie sich der Widerstand gegen das Industrieprojekt organisiert hat. Wer bestimmt die Debatten über und Definitionen von Wasserknappheit und Wasserverschmutzung in Berlin-Brandenburg – insbesondere in Bezug auf die „Gigafactory“ und ihre angebliche Rolle in der Energiewende?

Caroline Breidenbach setzt mit visuellem Design gesellschaftspolitische Themen in Szene. Ihre interaktive Web-Dokumentation wasserstories klärt über die Privatisierung von Wasserressourcen und Wasserkrisen im Allgemeinen auf. Sie verbindet Dokufiktion mit umfassenden, konkreten Fallrecherchen zu Wasserknappheit und Ressourcenkonflikten und stellt so die universelle Frage: Wem gehört das Wasser? Caroline Breidenbach absolvierte 2019 einen Master in Visueller Kommunikation der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und erhielt im Dezember 2021 den Meisterschüler:innentitel.

Anna Lena Kronsbein (MSc Environmental Toxicology) promoviert am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) über das Verhalten von Schadstoffen in Gewässerökosystemen . Dabei beschäftigt sie sich vor allem mit den Auswirkungen der invasiven Quaggamuschel auf den Abbau und die Umwandlung von in Kläranlagen nur unzureichend zurückgehaltenen Spurenstoffen (z.B. Pharmazeutika). Anna Lena Kronsbein ist Koautorin einer wissenschaftlichen Einschätzung zur Ansiedlung von industriellen Großprojekten in wasserarmen Gebieten, die das IGB angesichts des Baus der “Gigafactory Berlin-Brandenburg” im August 2021 veröffentlichte.

Wassertafel Berlin-Brandenburg ist eine Initiative, die sich aus dem lokalen Widerstand gegen die Tesla Produktionsstätte in Grünheide und dem Berliner Wassertisch gebildet hat, der sich in der Vergangenheit erfolgreich für die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe einsetzte. Die Wassertafel Berlin-Brandenburg engagiert sich dafür, dass Wasser ein Gemeingut bleibt und mobilisiert gegen die Vernutzung von Wasser durch die die Großindustrie. In ihrem Kampf für Wasser zeigt sich die Initiative solidarisch mit Regionen in Nord-, Mittel- und Südamerika, wo die Lebensgrundlage Wasser der Extraktion von Rohstoffen wie Lithium oder Nickel geopfert wird.

The Driving Factor nimmt die (Lithium-)Batterie zum Anlass, das Versprechen einer profitorientierten „grünen” Energiewende kritisch zu hinterfragen. In dem von der nGbK Berlin geförderten Projekt geht es um Stromnetze, Lieferketten und den Wandel sozialer und geographischer Räume durch Ressourcenextraktion und -akkumulation. Wie können unterschiedliche Orte zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, um gemeinsame Erfahrungs- und Aktionsräume zu bilden? The Driving Factor ist eine Zusammenarbeit von Praktiker:innen und Theoretiker:innen aus der bildenden Kunst, visuellen Anthropologie und Stadtsoziologie, die sich mit umweltpolitischen Fragen und aktivistischen Zusammenhängen befassen.

Diese Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes Fossile Erfahrung der Prater Galerie statt. Mehr Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm gibt es hier.

Fossile Erfahrung wird gefördert durch die Stiftung Kunstfonds, die LOTTO-Stiftung Berlin sowie mit Mitteln des Ausstellungsfonds für Kommunale Galerien und des Fonds für Ausstellungsvergütung für bildende Künstler:innen der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, mit freundlicher Unterstützung von Förderband Kulturinitiative Berlin und der Schankhalle Pfefferberg.

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