Learnings aus dem Projekt Prater Digital zum Aufbau einer digitalen Infrastruktur

Wie wir versucht haben, für eine Kulturinstitution eine möglichst datensichere digitale Infrastruktur ohne ethisch schwierige Softwares zu bauen.

Wir wissen, dass viele Künstler:innen und Kulturinstitutionen unter wesentlich schwierigeren Bedingungen als wir strukturelle Schritte in die Digitalität gehen. Wir wissen, dass viele Akteur:innen weniger Mittel und weniger Zugänge zu Erfahrungen und Wissen haben, als wir das Glück hatten zu haben. Wenn wir jetzt unsere Learnings hier aufschreiben, ist das keine Wertung der Arbeit anderer, die andere Wege gehen (müssen), sondern eine hoffentlich solidarisch verstandene Maßnahme zum Wissensaustausch.

Unsere Ziele sind:

– hohe Zugänglichkeit für Veranstalter:innen, Künstler:innen und Publikum (also einfache Bedienung für Nutzer:innen/Publikum, die Mitarbeiter:innen der Institution und die Künstler:innen)

– Verzicht auf kommerzielle Software (keine Aktienbesitzer:innen von Firmen wie Google, Facebook und Amazon mit unserer Arbeit und der produzierten Kunst reicher machen)

– Datenschutzrechtlich unbedenklich

– Anwendungswissen in vielen Institutionen speichern (also allen Nutzer:innen helfen, selbstbestimmt in der digitalen Infrastruktur zu agieren und den solidarischen Austausch mit Kolleg:innen fördern)

Wo wird die Homepage der Institution gehostet, also auf welchem Server sind die Homepage und die angeschlossenen E-Mails gespeichert?

Hier waren uns zwei Kriterien wichtig…

Server in der BRD
Sie unterliegen dann deutschem Recht, das transparent ist und vergleichsweise streng die Daten schützt. Schon bei anderen EU Serverstandorten wie Frankreich gibt es weitreichende intransparente Zugriffsrechte der Sicherheitsbehörden.

Konsequenter Verzicht auf Google Analytics
Fast alle Anbieter nutzen Google Analytics, um den Verkehr auf den Seiten zu analysieren, senden diese Daten aber auch gleichzeitig an Google, das diese nutzt, um Nutzer:innenprofile zu optimieren, damit Anzeigen besser verkauft werden können.

Wir haben einen einzigen Anbieter gefunden, der beide Kriterien erfüllt: http://www.jpberlin.de
(Es gibt bestimmt noch mehr, wir hatten aber nur ein kleines Zeitfenster für die Recherche und natürlich gibt es auch die Möglichkeit, einen ganz eigenen Server zu kaufen und selbst zu hosten.)

Welche Social-Media-Kanäle wollen wir nutzen?
Facebook mit seinen Plattformen Instagram und WhatsApp fallen seit vielen Jahren durch massive Menschenrechtsverletzungen und Schlimmeres auf. Die zahlreichen Möglichkeiten, das Geschäftsgebaren wenigstens ansatzweise anständiger zu gestalten, hat die Geschäftsleitung immer wieder konsequent versäumt.

Deswegen nutzen wir diese Plattformen nicht, sind uns aber bewusst, dass sie für viele Akteur:innen und für Menschen in anderen Ländern häufig ein zentraler Zugang zu Öffentlichkeit und kultureller Teilhabe sind.
Die meisten Social Media-Plattformen verwenden kleine versteckte Programme (Pixel oder Targeting Cookies, die einfach so auf der Seite landen, wenn z.B. dieses f als shortcut zum Facebookposting auf die Seite genommen wird. Diese Programme senden dann den gesamten Verkehr auf der Seite an die Server von Facebook etc.

Wir sind aber nicht so naiv anzunehmen, dass eine Kulturinstitution ohne Social Media das Kriterium der Zugänglichkeit erfüllen kann, deswegen nutzen wir Twitter als das kleinere Übel, allerdings auch strikt von der Seite getrennt, als autonom bespielter Account ohne automatisierte Querverbindungen.

Worüber streamen wir unsere Veranstaltungen im digitalen Raum?
YouTube (Google) und Twitch (Amazon) wollten wir hier vermeiden, und haben mit Vimeo einen guten Kompromiss zwischen datensicher, bezahlbar und einfach zu benutzen gewählt.

Wie bauen wir digitale Räume der Versammlung, der Performance und der Ausstellungen?
Es gibt noch nicht viele Anbieter:innen: wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, die möglichst Open Source ist und von den meisten Endgeräten zu betreten ist. Die Menschen, die darin Kunst produzieren, sollten die Möglichkeit haben, den Raum mit der Kunst tatsächlich zu besitzen und nicht – wie oft in den AGBs versteckt – die Verwertungsrechte unbewusst abtreten.
Wir haben uns für die Open Source Software Mozilla Hubs entschieden, die grafisch nicht so anspruchsvolle Animationsmöglichkeiten hat, wie Softwares, die besondere Game Engines nutzen.
Mozilla hat leider zur Zeit kein Team mehr, das die Weiterentwicklung der Software betreut, dafür gibt es aber mehrere solidarische Communities, die Support bieten.

In welchen Cloudservern können diese Räume gehostet werden?
Hier mussten wir leider Abstriche an den ethische Standards machen: wir konnten keine – im Rahmen unserer Möglichkeiten – zuverlässig funktionierende Alternative zu den Amazon Web Services Cloudservern in Irland finden. Wir suchen weiter nach Alternativen.

Weitere Punkte:

In der Entwicklung hat uns die Berliner Initiative PlatzDa! begleitet und wir stehen weiter im Austausch, um Ausschlüsse zu vermeiden. Dieser Austausch hat uns sehr geholfen. Und wir wissen, dass wir erst am Anfang eines wirklich zugänglichen digitalen Angebots stehen.

Für Videokonferenzen haben wir uns für eine Variante der Open Source Software Big Blue Button entschieden, die von der Berliner Firma Ecosero angeboten wird. Es bietet die Funktionalität von Webseminar- und Videokonferenzplattformen, läuft stabil und ist datensicher und ökologisch nachhaltig.

Wir haben intern konsequent auf Google Angebote verzichtet. Neben den bekannten Datenschutzproblemen sind auch (schnell kopierte und eingefügte) grafische Elemente und Google Schriften faktische Targeting Cookies, die dann die Daten der Webseitennutzer:innen an Google schicken.

Beteiligte

Julian Kamphausen

Künstlerische Leitung der Pilotphase (2020-2021)

Julian Kamphausen hat als Mitglied des Beirats zusammen mit der Leiterin des Fachbereichs Kunst und Kultur, Tina Balla, das Projekt im Sinne der Ergebnisse der Beiratsarbeit ausgearbeitet und angestoßen.